Vereinsausschlüsse oder gar Klagen nach dem Release gefangener Fische auf der einen, überfischte Gewässer sowie ökologische und ethische Überlegungen auf der anderen Seite: Kaum ein anderes Thema beschäftigt und spaltet die Angelszene in den letzten Jahren so sehr wie die Frage, ob gefangene Fische per se entnommen oder (zumindest teilweise) zurückgesetzt werden sollten. Und auch der nichtangelnde Teil der Gesellschaft hat hier zumeist eine feste Meinung und nimmt z.T. rege an dieser Diskussion teil. Die ohnehin oftmals leider nicht einheitlich handelnde Anglerschaft steht damit unter enormem rechtlichen, ökologischen und auch politischem Druck. Jede Anglerin und jeder Angler wird früher oder später mit dem Problem konfrontiert, hier verschiedenste Gesichtspunkte gegeneinander abwägen zu müssen, um zu in dieser Grundsatzfrage Position zu beziehen.
Diese Aspekte betrachten wir
Doch was, wenn man emotionale Aspekte im Diskurs um Tierwohl und Angelsport ausklammert und stattdessen einen wissenschaftlich fundierten Blick auf dieses Thema wirft? Wie steht es um rechtliche Vorgaben, um ökologische oder ethische Verpflichtungen und um die typischen Geschichten von zurückgesetzten Fischen, die dann z.B. verpilzen und qualvoll verenden würden? Als Biologe und Umweltwissenschaftler ist ein Blick in die relevante Literatur und in wissenschaftliche Paper der für mich naheliegendste Weg, um auch meine eigenen Einschätzungen einer Überprüfung zu unterziehen und mich dann am Gewässer entsprechend verhalten zu können. So habe ich die Schonzeit in diesem Jahr genutzt, um verfügbare Quellen nach entsprechenden Datenlagen zu durchforsten und möchte diese Informationen an die Community weitergeben.
So werde ich im Folgenden, nach einer kurzen und sicherlich nicht ganz vollständigen rechtlichen und begrifflichen Einordnung, vor allem die mir verfügbaren ökologisch-biologischen Gesichtspunkte herausstellen, welche für unsere Zielfische ableitbar sind. Theorie- und Lesefaule finden abschließend klare Empfehlungen für das Handling gefangener Fische vor, wie die aus der Datenlage hervorgehen.
Der Begriff Catch and Release: Wovon reden hier eigentlich alle?
Um sich der Relevanz dieses Themas bewusst zu werden, bietet sich zuerst ein Blick in die sozioökonomische Bedeutung des Angelsports an (Finch, 2006). Wurde das Fischen vor wenigen Jahrhunderten noch ausschließlich zum Zweck der Nahrungsversorgung betrieben, so entwickelte sich mit zunehmender Zivilisierung und Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft nach und nach die Fischerei aus Freizeit- und Erholungsgründen.
Angeln als Sport mit wirtschaftlicher Bedeutung
Heute ist die Sportfischerei zu einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor herangewachsen. So angelten im Jahr 2017 in den USA etwa 46 Millionen Menschen, was zu Wirtschaftsleistung von 115 Milliarden $ und einer Fördersumme von 1,7 Milliarden $ für Projekte zur Erhaltung der Umwelt führte (vgl. Southwick Associates, 2017). In Deutschland zeigen sich steigende Zahlen der aktiven Angler in den letzten zwei Jahrzehnten, sodass 2017 ca. vier Millionen Personen diesem Hobby mindestens unregelmäßig nachgingen.
Angelvereine zählen nach Fußball- und Tennisvereinen zudem zu den mitgliederstärksten Sportarten Deutschlands (Bundesministerium für Binnenfischerei, 2016).
n einer telefonisch geführten Zufallserhebung mit 474 aktiv angelnden Personen (Arlinghaus, 2004) ergaben sich folgende Einordnungen: Im Jahr 2002 hingen etwa 52000 Arbeitsplätze direkt von Angler*Innen ab, der wirtschaftliche Nutzen betrug ca. 6,4 Milliarden Euro jährlich. Zudem entnehmen Angler*Innen gemittelt rund 13 kg Fisch im Jahr, was zu einem gesamten Ertrag von 45.000 Tonnen aufsummiert werden kann.
Interessant ist zudem, dass die Studie das Umweltbewusstsein der befragten Personen als moderat einstufte, was vor allem auf die Einstellung bezüglich der „negativen Auswirkungen auf die Gewässerökosysteme“ zurückzuführen ist (ebd.). Die Mehrheit der Befragten gab somit an, dass Überfischungen mit Verbesserungen der Gewässerqualität oder Intensivierung des Besatzes entgegengewirkt werden solle, anstatt eine Änderung des eigenen Verhaltens anzustreben.
Zurücksetzen wird populärer
Erste Quellen für ein gezieltes Zurücksetzen gefangener Fische finden sich in England vor über einem Jahrhundert, als Möglichkeit des Gewässermanagement finden sich frühe „no-kill“-Zones in Gewässern des Staates Michigan im Jahr 1952. Vorreiter in Deutschland stellen vor allem die Wels- und Karpfenangler dar, welche sich auch bereits vor Jahrzehnten mit entsprechenden internationalen Studien beschäftigten, um den Wiederfang großer und als für den Verzehr uninteressant wirkenden Fischen beschäftigten (vgl. z.B. Finch, 2006). In der deutschen Raubfischangelszene findet gezieltes Zurücksetzen auch bereits seit über einem Jahrzehnt statt, jedoch nimmt dessen Bedeutung vor allem in den letzten Jahren mehr und mehr zu.
Rechtliche Einordnung: Ist Catch and Release illegal?
Während fast alle unserer europäischen Nachbarländer das Zurücksetzen bestimmter Fischarten und Größen ganzjährig etabliert haben, sehen sich Anglerinnen und Angler in Deutschland zumeist mit der Pflicht konfrontiert, Fische ab einer gewissen Größe (Mindestmaß) töten und entnehmen zu müssen. Argumentiert wird dafür häufig auf Stammtisch-Niveau nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht und so bleibt es auch“ etc.
So ist es in meinen Hausgewässern beispielsweise so, dass man bereits für das Mitführen von Abhakmatten aus dem Verein ausgeschlossen werden kann, da dies das gezielte Zurücksetzen gefangener Fische andeuten würde. Ebenso gestaltet sich jegliche Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Statuten äußerst schwierig und wird schnell mit dem angeblichen Verbot durch geltende Gesetzeslagen abgeschmettert.
Tierschutzgesetz in Deutschland
Werfen wir also mal einen Blick aus rechtlicher Perspektive auf diesen Sachverhalt:Die Sportfischerei unterliegt zu allererst dem bundesweit gültigen Tierschutzgesetz. In dessen §1 TierSchG ist festgehalten, dass Tiere als Mitgeschöpfe zu verstehen sind und deren Leben und Wohlbefinden zu schützen sei. Zudem darf niemand einem Tier ohne vernünftigen GrundSchmerzen, Leiden oder Schaden zufügen (TierSchG). Weiterhin macht § 17 deutlich, dass mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, diesem aus Rohheit (länger andauernde oder wiederholende) erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.
Diese beiden Abschnitte sind es, auf denen die in den letzten Jahren gehäuft vorkommenden Klagen gegenüber Anglerinnen und Anglern basieren. Sicherlich wird kein Gericht wiedersprechen, dass das Haken, Drillen und Landen eines Fisches für diesen Leid, Schmerz oder zumindest Stress bedeutet, sodass vor allem die Formulierung des „vernünftigen“ Grundes für viele schwierig zu deuten ist.
Verzehrabsicht oder Hege und Pflege?
Betrachtet man die aktuelle Rechtsprechung, stellt vor allem die Verzehrabsicht des gefangenen Fisches einen solchen vernünftigen Grund da, welcher das Angeln legitimiert (vgl. Arlinghaus & Jendrusch, 2005).
Was passiert jedoch, wenn jemand beim Barsch- oder Forellenangeln mit Verzehrabsicht einen maßigen Hecht fängt, den er nicht verzehren möchte? Hier wird das Ganze dann deutlich komplizierter. Fischereiberechtigte haben darüber hinaus den Auftrag zur „Hege und Pflege“ des befischten Gewässers, sie müssen also durch entsprechendes Management für einen dem Gewässer entsprechenden natürlichen oder zumindest naturnahen Zustand (und auch Bestand!) sorgen, diesen fördern oder erhalten (ebd.: 49).
Fischereigesetze der Länder
Unterhalb des Tierschutzgesetztes regelt auf Ebene der Länder die Umsetzung des Fischereigesetzes die Befugnisse und Verbote für Berufsfischerei und Angelsport. Dieses definiert den Umgang mit Fischen und Neunaugen sowie deren Laich, mit Krebsen sowie Muscheln und teilweise Fischnährtieren, sodass neben Regelungen der Erlaubnis zu Fischereiausübung und Hege hier vor allem die für uns relevanten Schonzeiten und Fischmaße fixiert sind.
Meiner Kenntnis nach sind diese Mindestmaße jedoch teilweise nicht ökologisch abgesichert, sondern entstammen aus Zeiten/ Bereichen, in denen Fische nach Kilo-Maß eingestuft wurden. So hat ein Hecht mit einer Länge von 50 cm ein Durchschnittsgewicht von…na? Genau, einem Kilogramm. Berechnen lässt sich dies mittels des sogenannten Korpulenzfaktors.
Gleiches gilt z.B. für Karpfen bei einer Länge von 35 cm, beides stellt in einigen Ländern die rechtliche Mindestgröße dar. Offen bleibt, ob und wie erfolgreich sich gerade maßige Fische bereits reproduzieren konnten, hängt deren Korrelation zwischen Alter und Länge doch stark von den Gegebenheiten des jeweiligen Gewässers ab.
Wann muss zurückgesetzt werden?
Doch bleiben wir bei der rechtlichen Perspektive:Das schonende Zurücksetzen gefangener Fische ist in einigen Fällen ausdrücklich erlaubt bzw. sogar Pflicht, wenn diese z.B. innerhalb der artspezifischen Schonzeit gefangen werden oder das Mindestmaß noch nicht erreicht haben.
Gleiches gilt in Fällen, bei denen Arten ganzjährig geschont werden (z.B. wiederangesiedelte Salmoniden). Darüber hinaus haben einige Länder für maßige, ungeschonte Fische jedoch eine Entnahmepflicht im Landesrecht verankert, sodass hier wiederum das Zurücksetzen außerhalb der Schonzeit eine illegale Handlung darstellt.
Trophäenangeln vermeiden
Des Weiteren wird das Angeln für den reinen Trophäenfang bzw. nur für das Anfertigen von Fotos des Fanges von den Gerichten sehr kritisch gesehen, sodass hier erfolgreiche Klagen drohen. Erinnern wir uns an $ 17 TierSchG im oberen Teil dieses Abschnittes, muss rechtlich in jedem Fall die Leidensdauer (Drill, Landung, Abhaken etc.) sowie deren Intensität so gering wie möglich gehalten werden. Gezieltes Angeln mit leichtem Gerät auf große und kampfstarke Fische, das „Auskosten“ des Drills und ein eventuelles Warten auf die perfekte Ausrichtung der Kamera sind demnach rechtlich sehr kritisch zu betrachten und sollten unbedingt vermieden werden.
Auch die gesellschaftliche Akzeptanz des Angelns im nicht-angelnden Teil der Bevölkerung ist belegbar von der Intention der Fischerei abhängig (vgl. Arlinghaus & Riepe, 2014). Demnach stellt das Releasen von Fischen aus ökologisch sinnvollen Gründen keinen Widerspruch zu gesamtgesellschaftlichen Moralvorstellungen dar, das Angeln ohne jegliche Absicht des Verzehrs jedoch schon.
Welche Gründe sind als ökologisch sinnvoll anzusehen? Wie steht es überhaupt um das Verhalten von Fischen nach dem Zurücksetzen? Diesen und weiteren Fragen widmen wir uns im Folgenden.
Ökologische Perspektive: Catch and Release für die Hege?
Die Müritzfischer in Deutschland machen es vor: Seit einiger Zeit besteht in vielen Gewässern, die dem Fischereirecht der Müritz-Plau GmbH unterstehen, ein sogenanntes Entnahme- oder Küchenfenster für Hechte (und Karpfen). So sind Fische neben oberhalb des Mindestmaßes (dort aktuell 60 cm) auch ab einem festgelegten Höchstmaß (hier 90 cm für Hechte) im Sinne einer Laichfischschonung zwingend zurückzusetzen.
Geht man davon aus, dass entsprechende Großfische ökologisch und anglerisch wünschenswerte Erbanlagen an ihre Nachkommen weitergeben, scheint diese Lösung ein guter Ansatz zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Vorbild auch in anderen Regionen etablieren lässt, Voraussetzung ist natürlich dabei der Einsatz jeder und jedes Einzelnen von uns.
Ethische Perspektive betrachten
Die wohl brennenste Frage für die meisten von uns ist sicherlich, was mit gefangenen Fischen nach dem Zurücksetzen passiert. Überleben diese die Prozedur? Wie sollten wir verfahren, um die Sterblichkeit möglichst gering oder gar bei null zu halten? Viele Anglerinnen und Angler handeln hier vor allem nach Bauchgefühl; Tipps und Hinweise bekommt man in einschlägigen Medien zwar häufig, jedoch sind diese zwar gut gemeint aber zumeist nicht evidenzbasiert, da wohl kaum genug Fische nach dem Release wieder gefangen und untersucht werden können. Und selbst wenn ein zuvor zurückgesetzter Fisch wieder gefangen oder tot aufgefunden wird, muss hier weder eine Kausalität bestehen, noch kann ein solcher Einzelfall als belastbare Evidenz herangezogen werden. Für die meisten ist also schon das Abtauchen eines releasten Fisches hier der entscheidende Faktor.
Die Studienlage zum Catch and Release ist international betrachtet mittlerweile recht breit aufgestellt, Daten zu heimischen Raubfischen sind z.T. jedoch schwieriger zu erlangen. In einem aktuellen Artikel gibt die Zeitschrift „Blinker“ nach einer Auswertung von „über 100 Studien“ heimischer und nahe verwandter Arten eine durchschnittliche Sterblichkeit von 15,6 Prozent der zurückgesetzten Fische an (Blinker, 03/2018). Diese Werte sind jedoch für einzelne Arten z.T. stark abweichend, ebenso hängt die Mortalitätsrate von vielen weiteren Faktoren ab. Die Wahrscheinlichkeit des Überlebens eines Fisches ist so vor allem von Fang(-Tiefe) und dem Handling des Fisches bis zum Release sowie auch von den Umweltbedingungen des Gewässers abhängig, sie beträgt in Idealfällen nahe 100 Prozent (ebd.).
Im Folgenden werde ich diese Daten artbezogen darstellen und sie, sofern mir dies möglich war, durch einen Blick in die verwendeten und andere mir zu Verfügung stehende Studien erweitern.
Hecht
Für Hechtartige ist eine durchschnittliche Überlebensrate von 90,4 Prozent ausgewiesen, was bedeutet, dass bei variablen Voraussetzungen etwa jeder zehnte releaste Fisch stirbt. Demgegenüber liegt die Überlebensrate jedoch bei 100 Prozent, sofern diese bis auf die Hakwunde unverletzt und entsprechend schonend behandelt worden sind.
Arlinghaus et al. (2009) ermittelten in einer kombinierten Feld- und Laborstudie die physiologischen Effekte auf Hechte durch den bei Catch and Release ausgelösten Stress. Hier lag der Fokus neben den muskulären Laktatkonzentrationen und zellulären Energiespeichern, welche Indikatoren für starke Anstrengungen sind, vor allem auf der Wiederherstellung normaler Verhaltensmuster. Es zeigte sich, dass Hechte bei Handling-Zeiträumen von bis zu 300 Sekunden außerhalb des Wassers spätestens nach einigen Stunden wieder normale Verhaltensweisen aufwiesen (ebd.). Auch Baktoft et al. (2013) kommen zu ähnlichen Ergebnissen, jedoch scheint die herrschende Temperatur einen Einfluss auf die Wiederherstellungsdauer zu haben, sodass die Handlingzeit vor allem im Sommer deutlich reduziert werden sollte. Gleiches gilt für die Dauer des Drills, die bei keiner Fischart länger als unbedingt nötig dauern sollte (Finch, 2006).
Darüber hinaus zeigen Studien bezüglich der Hakenposition des Köders im Hechtmaul sowie Verletzungsintensität signifikante Zusammenhänge mit genutzten Ködern und Ködergrößen (Arlinghaus et al., 2011). Während vor allem kleine und weiche Köder (< 75 mm) häufiger an Kiemen oder Schlund hängen und damit zu stärkeren Verletzungen führen, haken größere Baits überwiegend am Kiefer (ebd.). Damit variieren natürlich sowohl die Handling-Dauer als auch die Verletzungsintensität, was die Überlebensrate entsprechend steigen oder sinken lässt.
Zander
Zander scheinen am empfindlichsten für Catch and Release zu sein, wobei auch hier die wesentlichen Faktoren die Handling-Dauer (Luft-Exposition) als auch die Fangtiefe sind. So zeigt diese Art eine Mortalitätsrate von 24,6 Prozent, größer angelegte Studien über den nahen Verwandten, den amerikanischen Glasaugenbarsch (Walleye) weisen eine Rate von 18,6 Prozent auf. Die Sterblichkeitsrate steigt dabei drastisch, wenn die Fische aus Tiefen größer als zehn Meter gefangen werden (Barotrauma), lässt sich jedoch auch deutlich unter den angegeben Wert senken, wenn Fische flach beißen, gut gehakt sind und schnellstens versorgt werden.
Schonender Release - Dieser tolle Zander wurde an der Schwanzwurzel gehalten, um die Stabilität des Fisches im Wasser beim Release zu wahren
Barsch
Auch wenn ich keine Studien direkt zum Europäischen Flussbarsch finden konnte, so müssen für diesen als barschartigen Fisch ähnliche Annahmen gemacht werden, wie für den Zander. Vor allem die Anatomie und Funktionsweise der Schwimmblase ist mit letzterem vergleichbar, sodass die Fangtiefe auch bei Barschen eine enorme Rolle spielt.
In einer Studie über den nahen Verwandten, den Amerikanischen Flussbarsch (Perca flavescens), fingen Wissenschaftler Fische mit Angelgeräten aus verschiedenen Tiefen und maßen deren Erholungszeit. Bei einer Tiefe von drei Metern erholten sich 90 Prozent der Fische nach weniger als drei Sekunden, während dies bei Tiefen von sechs Metern nur noch 37 Prozent in dieser Zeit gelang (Klingsheim, 2016). Der Autor gibt an, dass keiner der 240 gefangenen Fische in der Studie gestorben sei, diese Ergebnisse jedoch als Hinweise auf dramatisch gesteigerten Stress gelten müssen (ebd.). Ebenso wird hier der Hinweis gegeben, dass der Europäische Flussbarsch bereits erste Effekte eines Barotraumas bei Tiefenänderungen von 20 Prozent zeige (ebd.).
Nach dem Keschern gefangener Barsche sollte zudem der viel genutzte „Barschgriff“, also das Halten des Fisches an der Unterlippe, vermieden werden, sofern der Fisch nicht völlig senkrecht gehalten wird. Ein Drehen in die Waagerechte führt ansonsten zu immensen Belastungen der Strukturen im Nacken- und Rückenbereich und erhöht die Sterbensrate.
Der Maulgriff, auch bekannt als Barschgriff – schonend für Mensch und Fisch, jedoch sollte man einen größeres Exemplar noch im hinteren Bereich stützen.
Salmoniden
Forellenartige Fische gelten ja gemeinhin als besonders empfindlich, weisen in verschiedenen Studien jedoch ähnliche Mortalitätsraten wie die zuvor betrachteten Arten auf (z.B. Ferguson & Tufts, 1992; Brobbel et al., 1996). Besonders relevant erscheinen hier jedoch die Temperaturen von Wasser und Luft, sodass mit ansteigenden Temperaturen auch die Sterblichkeitsraten signifikant höher werden. Weiterhin zeigte sich bei Regenbogenforellen, dass eine besonders kurze Handlingzeit (Luftexposition unter 60 Sekunden) notwendig ist, um den Fischen eine hohe Überlebenschance zu gewährleisten.
Zusammenfassung und Leitlinien für die Praxis
Abschließend lässt sich festhalten, dass Catch and Release rechtlich zwar komplex, aber durchaus legal möglich ist. Ebenfalls zeigen die vorliegenden Studien gute Effekte auf die Stabilität der Populationen, sodass ein Entnahmefenster, wie es in Deutschland leider bisher nur vereinzelt vorkommt, als absolut ökologisch sinnvoll angesehen werden kann. Über einige unserer heimischen Zielfische bestehen wenige oder keine Daten, zudem sind entsprechend valide Experimente enorm aufwändig. Dennoch lassen sich einige gute Handlungshinweise ableiten.
Folgende Dinge sind (artübergreifend) zu beachten, um möglichst sicherzustellen, dass gefangene Fische den Release langfristig folgenlos überleben:
- Fische sollten möglichst gering oder unverletzt sein, daher sparsam mit zusätzlichen Haken umgehen und ggf. Köder abrüsten oder Widerhaken durch Andrücken entfernen.
- Die Drillzeit sollte möglichst kurz gehalten werden, passende Hardware ist also Pflicht!
- Die Landung mit einem gummierten Kescher ist vorzuziehen, in diesem kann der Fisch auch möglichst im Wasser abgehakt werden. Ansonsten sind nasse Abhakmatten sinnvoll, um die Schleimhaut der Fische zu schonen.
- Handlandungen sind bei entsprechendem Können (kein Kontakt zu den Kiemen, Unterstützung am Bauch bei großen Fischen etc.) ebenfalls möglich.
- Die Exposition an der Luft muss, wenn überhaupt notwendig, so kurz wie möglich gehalten werden.
- Kleine Fische sind empfindlicher als große, untermaßige Fänge also am besten noch im Wasser freilassen.
- Beim Zurücksetzen ist der Schwanzwurzelgriff im Wasser der sicherste Weg für den Fisch, bis dieser von allein wegschwimmen kann.
- Tiefsitzende Haken sind am besten zu kappen, lange Operationen erhöhen die Sterblichkeit auch im Vergleich zu ungelösten Ködern erheblich.
- Extreme Wassertemperaturen (warm oder kalt) sollten vermieden werden.
Schonender Release: Die Forelle wird im Schwanzwurzelgriff gehalten, bis er davon schwimmt.
Ich hoffe, Ihr konntet aus dem Text ein paar Anregungen für die kommende Angelsaison mitnehmen, ich freue mich sehr auf Euer Feedback! Auch wenn Ihr Vorschläge für weitere Themen habt, die dringend aus der wissenschaftlichen Perspektive betrachtet werden sollten, hinterlasst mir gerne einen Kommentar.
Petri, Ihno
Quellen:
- Arlinghaus, R. (2004): Angelfischerei in Deutschland – eine soziale und ökonomische Analyse. Abgerufen unter: https://www.researchgate.net/profile/Robert_Arlinghaus/publication/285343697_Recreational_fisheries_in_Germany_-_A_social_and_economic_analysis/links/56c58fba08ae736e7047bfbd.pdf
- Arlinghaus, R.; Jendrusch, K. (2005): Catch & Release – Eine juristische Untersuchung. In: Agrar- und Umweltrecht, Heft 2, 48-51.
- Arlinghaus, R.; Cooke, S. J.; Gingerich, Andrew; Klefoth, Thomas; Suski, Cory (2009): Physiological and behavioural consequences of catch-and-release angling on northern pike (Esox lucius L.). In: Fisheries Research Vol. 93/3, 223-233.
- Arlinghaus, R.; Klefoth, T.; Kobler, A.; Cooke, S. J. (2011): Size Selectivity, Injury, Handling Time, and Determinants of Initial Hooking Mortality in Recreational Angling for Northern Pike: The Influence of Type and Size of Bait. In: North American Journal of Fisheries Management Vol. 28/1.
- Arlinghaus, R.; Riepe, C. (2014): Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei. In: Berichte des IGB, Heft 27.
- Baktoft, H.; Aarestrup, K.; Berg, S.; Boel, M.; Jacobsen, L.; Koed, A.; Pedersen, M.W.; Svendsen, J.C.; Skov, C. (2013): Effects of angling and manual handling on pike behaviour investigated by high-resolution positional telemetry. In: Fisheries Management and Ecology Vol. 20/6.
- Brämick, U. (2015): Jahresbericht zur Deutschen Binnenfischerei und Binnenaquakultur. Abgerufen unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/EU-Fischereipolitik-Meeresschutz/JahresberichtBinnenfischerei.pdf?__blob=publicationFile
- Brobbel, M.; Wilkie, M.; Davidson, K.; Kleffer, J.; Bielak, A.; Tufts, B. (1996): Physiological effects of catch and release angling in Atlantic salmon (Salmo Salar) at different stages of freshwater migration. In: Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 53 (9).
- Ferguson, R.; Tufts, B. (2011): Physiological Effects of Brief Air Exposure in Exhaustively Exercised Rainbow Trout (Oncorhynchus mykiss): Implications for "Catch and Release" Fisheries. In: Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 49 (6).
- Finch, O. (2006): Catch and Release – wissenschaftlich betrachtet. In: carp connect , Heft 26/2006, 36-39.
- Klingsheim, B. J. (2006): Influence of Depth and Retrieval Speed on Yellow Perch – Barotrauma Recovery Time in Winter. Abgerufen unter: https://pdfs.semanticscholar.org/7dfc/f59cecb1940185d422a4cc8d21f6601ac635.pdf
- Southwick Associates (2017): Economic Contributions of Recreational Fishing: U.S. Congressional Distrcits. Abgerufen unter: http://asafishing.org/wp-content/uploads/ASA-Congressional-District-Fishing-Impacts-Report-115th-Congress.pdf